Wirtschaft

Risiko für den Berufsweg: Viele Schüler:innen wollen erst arbeiten, statt Ausbildung zu beginnen

Studie
Helen Renk, Clemens Wieland
Eine Auszubildende für den Beruf der Raumausstatterin ist bei der Arbeit zu sehen. Mit einem Akkuschrauber schraubt sie ein Raffrollo an der Innenseite eines Fensters fest.

Die duale Berufsausbildung ist bei jungen Menschen weiterhin der beliebteste Bildungsweg nach dem Schulabschluss. Doch insbesondere Schüler:innen mit niedrigem Bildungsniveau tendieren dazu, nach dem Verlassen der Schule zunächst auf eine Ausbildung zu verzichten und ohne formale Qualifikation zu arbeiten. Dadurch droht die Quote an Ungelernten weiter zu steigen, mit gravierenden Folgen sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für die jungen Menschen selbst.

Von den Schülerinnen und Schülern in Deutschland möchte jede:r Fünfte nach der Schule erst einmal arbeiten, anstatt eine formale Berufsausbildung aufzunehmen. Besonders häufig trifft das auf Schüler:innen mit niedrigem Schulbildungsniveau zu. Das geht aus unserer neuen Jugendbefragung „Ausbildungsperspektiven 2025“ hervor. Für mehr als ein Viertel aller befragten jungen Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren ist der Wunsch, direkt zu arbeiten, ein wichtiger Grund, der gegen die Aufnahme einer Ausbildung spricht.

Die Befragungsergebnisse geben Rückschlüsse darauf, welche Ansatzpunkte vielversprechend sind. So führen Befragte mit niedriger Schulbildung ihre Probleme bei der Ausbildungsplatzsuche vor allem darauf zurück, dass ihnen das Schreiben einer Bewerbung schwerfällt oder dass sie nicht die geforderten Qualifikationen vorweisen können. „Um junge Menschen beim nachschulischen Übergang optimal zu unterstützen, müssen die entsprechenden Angebote auf die individuellen Schwierigkeiten und Probleme der jungen Menschen zugeschnitten sein“, sagt Helen Renk, unsere Expertin für berufliche Bildung. Eine solche passgenaue Unterstützung kann auch durch Ansprechpartner:innen außerhalb der Schule erfolgen, etwa durch Begleiter:innen für den Übergang von Schule in den Beruf oder Berater:innen der Arbeitsagenturen.

Hoher Handlungsbedarf, um mehr junge Menschen in eine Ausbildung zu bringen

Bei den Befragten mit höherer Schulbildung sieht die Lage anders aus: Vielen von ihnen fällt es schwer, sich in der Fülle an Informationen zur Berufswahl zurechtzufinden. Hierin dürfte einer der wichtigsten Gründe dafür liegen, warum sie hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft noch großteils unentschlossen sind. Ihrer Ansicht nach müsste es, insbesondere in den Schulen, mehr Angebote zur Berufsorientierung geben, vor allem in Form persönlicher Beratung.

Der Handlungsbedarf, um deutlich mehr junge Menschen in eine Ausbildung zu bringen, ist hoch: Laut Berufsbildungsbericht besaßen 2023 rund 19 Prozent der 20- bis 34-Jährigen keinen Berufsabschluss, das entsprach 2,86 Millionen Menschen. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlten im Vorjahr bundesweit mehr als 570.000 qualifizierte Arbeitskräfte – mit erheblichen negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

„Sich beruflich zu qualifizieren, muss für junge Menschen attraktiver sein, als ungelernt zu arbeiten. Ohne reguläre Ausbildung steigt das Risiko, arbeitslos zu werden oder im Niedriglohnsektor zu verharren. Das ist zum einen sehr schwierig für die Betroffenen, zum anderen geht dadurch viel Potenzial für den Arbeitsmarkt verloren. Das können wir uns aufgrund des Fachkräftemangels und demografischen Wandels nicht erlauben“, sagt Helen Renk.

Ausbildung beliebt – aber Jugendliche mit niedriger Schulbildung zweifeln an ihren Chancen

Positiv stimmt, dass junge Menschen die Ausbildung weiterhin als beliebtesten Bildungsweg nach dem Schulabschluss betrachten: 43 Prozent der befragten Schüler:innen streben eine Ausbildung an, 40 Prozent möchten auf jeden Fall studieren. Von den Schüler:innen mit niedriger Schulbildung können sich sogar fast neun von zehn Befragten grundsätzlich vorstellen, in Zukunft eine Ausbildung zu beginnen. Zugleich aber schätzen die jungen Menschen mit niedriger Schulbildung ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz deutlich pessimistischer ein als der Rest. Mehr als ein Drittel von ihnen (35 Prozent) glaubt nicht daran oder ist sich nicht sicher, dass sie einen Ausbildungsplatz bekommen werden.

„Ausgerechnet diejenigen jungen Menschen, für die eine Ausbildung die naheliegendste Wahl nach der Schule ist, zweifeln am häufigsten an ihren Chancen. Das kann einer der Gründe dafür sein, warum viele von ihnen zunächst lieber in Aushilfsjobs arbeiten möchten. Deshalb ist es wichtig, gerade junge Menschen mit niedriger Schulbildung am Übergang von der Schule in den Beruf bedarfsgerecht zu unterstützen und ihnen konkrete Ausbildungsperspektiven aufzuzeigen“, betont Clemens Wieland, unser Experte für berufliche Bildung. Zugleich müssen auch diejenigen jungen Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen (zuletzt 52.300 im Jahr 2022 laut Nationalem Bildungsbericht), als Potenzial für den Ausbildungsmarkt betrachtet und gezielt unterstützt werden.

Zur Studie

Für die Studie „Ausbildungsperspektiven 2025. Eine repräsentative Befragung von jungen Menschen“ wurden insgesamt 1.755 junge Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren repräsentativ befragt. Die Befragung mittels eines standardisierten Fragebogens erfolgte von Anfang März bis Mitte April 2025. Von den Teilnehmenden wurden 1.498 online und 257 in persönlichen Interviews befragt.

👉 Download der Studie

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