
Zwischen Einsamkeit und Impact: Wie Einsamkeit das Engagement junger Menschen beeinflusst

Einsamkeit ist mehr als ein Gefühl. Sie betrifft immer mehr junge Menschen – und sie hat Folgen. Nicht nur fürs Wohlbefinden, sondern auch für unsere Gesellschaft und Demokratie. Unsere aktuelle Studie zeigt: Einsamkeit kann das politische Engagement junger Menschen langfristig schwächen – über einen kaum beachteten Umweg: das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Wer ist betroffen?
In der Studie wurden 2.532 junge Erwachsene zwischen 16 und 30 Jahren befragt. Das Ergebnis:
- 10 % fühlen sich stark einsam,
- 35 % moderat einsam.
Besonders betroffen sind junge Menschen ohne Job (75 %) oder mit niedriger Bildung (62 %). Auch junge Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte zeigen überdurchschnittlich hohe Einsamkeitswerte.
Was ist Einsamkeit?
Einsamkeit meint nicht einfach: „allein sein“. In der Forschung wird zwischen emotionaler Einsamkeit (fehlende enge Beziehungen) und sozialer Einsamkeit (zu wenig eingebunden sein in Gruppen oder Netzwerke) unterschieden. In der Studie wurde mit anerkannten wissenschaftlichen Skalen gearbeitet – etwa mit Aussagen wie „Ich fühle eine Leere in mir“ oder „Ich vermisse es, Menschen um mich zu haben“. Wer hier mehrfach zustimmt, gilt als moderat oder stark einsam.
Engagement? Ja – aber mit Zweifeln
Viele junge Menschen, die sich einsam fühlen, interessieren sich trotzdem für Politik und Gesellschaft – genauso wie nicht einsame. Aber: Sie haben deutlich mehr Zweifel daran, dass ihr eigenes Handeln etwas verändern kann.
Nur 16 % der stark Einsamen glauben, dass sie lokal gesellschaftliche oder politische Veränderungen bewirken können. Unter den nicht Einsamen sind es 25 %.
Auch das Vertrauen ins politische System ist angegriffen:
- 63 % der stark Einsamen sind mit der Demokratie unzufrieden,
- bei den nicht Einsamen sind es nur 41 %.
Zudem zweifeln viele daran, dass Politiker:innen ihre Werte vertreten oder sich für ihre Themen einsetzen.
Was ist Selbstwirksamkeit – und warum ist sie so entscheidend?
Selbstwirksamkeit bedeutet: Ich glaube daran, dass ich etwas bewirken kann. Man unterscheidet zwischen:
- interner Selbstwirksamkeit – also dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten („Ich kann was verändern“)
- und externer Selbstwirksamkeit – dem Glauben, dass das System auf mich reagiert („Politik hört auf mich“).
Beides hängt eng zusammen. Wer sich nichts zutraut und gleichzeitig den Eindruck hat, dass sich sowieso nichts ändern lässt, zieht sich eher zurück – auch wenn er oder sie eigentlich motiviert wäre.
Einsamkeit verstärkt diesen Effekt. Denn wer wenig sozialen Rückhalt hat, bekommt seltener positive Rückmeldungen, Bestätigung oder praktische Unterstützung. Genau diese Erfahrungen aber stärken Selbstwirksamkeit – und damit auch das Vertrauen in Politik und Gesellschaft.
Aber: Engagement kann auch helfen
Die Studie zeigt auch eine andere Seite: Engagement kann ein Weg aus der Einsamkeit sein. Viele junge Menschen wünschen sich durch politisches oder gesellschaftliches Engagement:
- Zugehörigkeit,
- Sichtbarkeit,
- und das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
Für einsame junge Menschen kann das besonders wichtig sein. Sie geben häufiger an, dass Anerkennung durch andere sie motiviert, sich stärker zu beteiligen.
Was wir jetzt brauchen
Damit sich einsame junge Menschen einbringen können, braucht es:
- niedrigschwellige Einstiege,
- Orte für Begegnung,
- und Formate, die individuelle Stärken sichtbar machen, statt Überforderung zu erzeugen.
Jugendzentren, offene Treffpunkte, digitale Plattformen oder auch Peer-Projekte können genau solche Räume schaffen. Politische Bildung muss hier ansetzen – und Mut machen, statt abzuschrecken.
Fazit
Einsamkeit betrifft viele – aber sie muss kein Dauerzustand sein. Und sie muss nicht bedeuten, dass junge Menschen sich abwenden. Wenn Engagement als Einladung gestaltet wird, mit echten Beteiligungsmöglichkeiten, Anerkennung und Gemeinschaft, dann kann es Teil der Lösung sein – für den Einzelnen und für unsere Demokratie.
Zur Studie
Die Studie „Jung, einsam – und engagiert?“ ist Teil des Programms GenNow – Junge Menschen und Gesellschaft. Sie basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung von 2.532 jungen Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren im Zeitraum vom 13. bis 29. März 2024.
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